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Grundsätze und Leitlinien naturgemässer Waldwirtschaft

Mit freundlicher Genehmigung:

Arbeitsgemeinschaft Naturgemässe Waldwirtschaft Deutschland e.V. (ANW)


 

Die Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft Deutschland e.V. (ANW)

Die ANW ist seit 1950 ein Zusammenschluss von Waldbesitzenden, Forst­ leuten, Wissenschaftlern und Waldinteressierten in der Bundesrepublik Deutschland. Ihre Mitglieder setzen sich ein für eine besonders verant­wortungsbewusste, im umfassenden Sinne nachhaltige und damit multifunktionale naturverträgliche Form der Waldwirtschaft, den Dauerwald. Wir bieten eine jahrzehntelang erprobte ganzheitliche Lösung an für den Umbau zu nach­ haltig stabileren und resilienteren Wäldern.

Die Bundesländer haben selbständige Landesgruppen, die in der Bundes­ANW zusammengeschlossen sind.

Die Bundes­ANW ist Mitglied des europäischen Dachverbandes „Pro Silva“, des Deutschen Forstwirtschaftsrates (DFWR), sowie von PEFC und FSC.

Die ANW ist politisch unabhängig und allen Waldbesitzarten gleichermaßen verbunden.


A) Grundsätze naturgemässer Waldwirtschaft


1.  Anpassungsfähige, widerstandsfähige und resiliente Wälder entwickeln

Mit einer naturgemäßen Waldbewirtschaftung strebt die ANW multifunktionale und dauerhaft gemischte, strukturreiche Wälder, den Dauerwald, an. Diese ermöglichen die nachhaltige und integrative Bereitstellung ökonomischer, ökologischer und sozialer Funktionen. Dabei kann die Gewichtung der verschiedenen Funktionen betrieblich unterschiedlich sein. Naturgemäße Waldwirtschaft soll gleichwohl sicherstellen, dass auf derselben Fläche z.B. der nach­ wachsende Rohstoff Holz erzeugt und geerntet wird und dabei gleichzeitig ein möglichst naturnaher Lebensraum erhalten bleibt bzw. entwickelt wird. Wir sind zudem der Überzeugung, dass die schonende, an natürlichen Prozessen orientierte Waldbewirtschaftung, die zu Dauerwäldern führt, die Anpassungsfähigkeit der Wälder an klimatische Änderungen erhöht, die Widerstandsfähigkeit der Bäume gegen klimatische Extreme steigert und die Resilienz der Wald-Ökosysteme verbessert.


2.  Dauerwald bewirtschaften

Dauerwälder sind durch Baumartenmischung, strukturelle Vielfalt, den Verzicht auf Kahlschläge und andere schlagweise Verfahren, den Vorrang der natür­lichen Waldverjüngung und einen naturnahen Lebensraum gekennzeichnet. Sie entstehen im Zuge der Bewirtschaftung durch ein kleinflächig differenziertes Lichtangebot, einzelbaumorientierte Holzernte sowie die Integration von Ele­menten der natürlichen Waldentwicklung. Bei allen Unsicherheiten sind wir überzeugt davon, dass dieses integrative Bewirtschaftungskonzept am besten dazu geeignet ist, anpassungs­- und widerstandsfähige sowie resiliente Dauer­wälder zu entwickeln und zu erhalten und nachhaltig unterschiedliche Öko­systemfunktionen sicherzustellen.



B) Waldbauliche Leitlinien auf dem Weg zum Dauerwald


1.  Mischung

Angestrebt werden Mischbestände aus mehreren standortgerechten Baumarten mit unterschiedlichen ökologischen Eigenschaften. Dabei soll das gesamte Spektrum der heimischen Baumarten berücksichtigt werden. Der Erhaltung seltener Baumarten wird eine hohe Priorität eingeräumt.


2.  Nichtheimische Baumarten

Bewährte nichtheimische Baumarten können als Mischbaumarten beteiligt wer­ den. Versuchsanbauten erfolgen kleinflächig, insbesondere mit Herkünften und Baumarten aus den Mitteleuropa benachbarten wärmeren Florenregionen. 


3.  Naturverjüngung

Dauerwälder regenerieren sich im Zuge der Waldpflege kontinuierlich und in einem räumlichen Mosaik weitgehend natürlich. Dies erhöht die natürlichen Selektionsmöglichkeiten und sichert eine ungestörte Wurzelentwicklung. Naturverjüngung aus mehreren Baumarten wird grundsätzlich angestrebt. Sofern keine ausreichende Zahl an potenziellen Mutterbäumen der gewünsch­ten Baumarten vorhanden ist, wird auf Saat oder Pflanzung zurückgegriffen. 


4.  Strukturelle Vielfalt

Dauerwälder sind strukturreich und ungleichaltrig. Die gewünschte Baumarten­mischung und strukturelle Vielfalte wird durch Steuerung des Lichtangebotes sichergestellt.


5.  Vorratspflege

Die Pflege des Vorrats erfolgt stetig, in kurzen Intervallen und in allen Bestandesschichten auf ganzer Fläche. Sie wird so durchgeführt, dass das Waldinnenklima keinen drastischen Schwankungen unterliegt und sich stets deutlich von den Freilandverhältnissen unterscheidet.


6.  Nutzungskriterien

Die Nutzung erfolgt in der Regel einzelbaum­ bis gruppenweise. Geerntet werden z.B. Bäume,

  1. die ihren angestrebten ökonomischen Wert erreicht haben,

  2. deren Fällung der Förderung von Nachbarbäumen durch Positivaus­ lese dient, damit der ökonomische oder ökologische Wert der Nach­barbäume steigt oder gesichert werden kann,

  3. deren Ernte der Strukturvielfalt zuträglich ist und/oder

  4. durch deren Entnahme das Ankommen und die Entwicklung des Nachwuchses gefördert wird.


7.  Bodenschutz

Die Ernte von Bäumen erfolgt mit boden-­ und bestandesschonenden Arbeits­verfahren unter Berücksichtigung der Boden und Witterungsverhältnisse. Die Befahrung soll durch möglichst weite Rückegassenabstände minimiert werden. Außerhalb permanenter, markierter Rückegassen wird der Waldboden geschont.


8.  Humuspflege

Besondere Beachtung finden die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und die Humuspflege. Die bestandestypische bodenbiologische Aktivität wird durch Anwendung ökosystemschonender Holzernteverfahren so wenig wie möglich gestört. Auf flächige Bodenbearbeitungen, die die natürliche Lagerung des Mineralbodens verändern, wird verzichtet. Es soll ein angemessener Anteil des im Zuge der Bewirtschaftung anfallenden Kronenmaterials und Holzes zur Sicherung der Nährstoffnachhaltigkeit, der Artenvielfalt und zur Wasser­rückhaltung im Wald verbleiben.

Walderschließung und Nutzung werden so gestaltet, dass ein möglichst hohes Wasserangebot für den Wald verfügbar gehalten wird.


9.  Wald und Wild

Die Höhe der Schalenwildbestände wird so gesteuert, dass eine artenreiche und kontinuierliche Regeneration der Baum­, Strauch­ und Krautschicht ohne Schutzmaßnahmen gelingt. Werden bisher nicht vorkommende Baumarten eingebracht, muss deren vom Wild weitgehend unbeeinflusste Entwicklung gewährleistet werden.


10.  Pestizide

Auf den Einsatz von Pestiziden wird grundsätzlich verzichtet.


11.  Biodiversität

Dem Schutz der Biodiversität kommt eine besondere Bedeutung zu. Diesem Ziel dienen auf betrieblicher Ebene Bestände mit abwechslungsreichen Wald­strukturen, unterschiedlichen Kronenöffnungsgraden und die Sukzession ins­ besondere nach Störungen. Habitatbäume und deren Anwärter, stehendes und liegendes Totholz werden in ausreichender Menge und Diversität bereitgestellt. Ist der Dauerwaldzustand erreicht, sollen Habitatbäume und Totholz mindes­tens 10% des aufstockenden Vorrats einnehmen.


12.  Referenzflächen

Bei ausreichender Betriebsgröße sollten unbewirtschaftete Referenzflächen eingerichtet werden. Sie dienen der natürlichen Waldentwicklung und deren Beobachtung.


13.  Störungsflächen

Auch auf Störungsflächen ist eine flächige Befahrung grundsätzlich auszuschließen. Verbliebene lebende oder tote Bäume sollten grundsätzlich nicht vollständig entnommen werden, da von ihnen positive Effekte für das gesamte Ökosystem ausgehen. Zur Wiederbewaldung von Störungsflächen werden, wo immer möglich und sinnvoll, Naturverjüngung und Sukzessionsprozesse genutzt.



C) Begleitende Massnahmen


1.  Monitoring

Die Dauerwaldwirtschaft strebt eine möglichst hohe Stabilität und Resilienz des gesamten Lebensraumes Wald und seine nachhaltige Nutzung an. Zur Über­ prüfung dieser Ziele nutzen wir Inventurverfahren sowie Korridore für Bestan­ desvorräte und ­grundflächen, die neben den baumbezogenen Informationen auch Aussagen zur Strukturvielfalt, Artenausstattung und Funktionalität des Ökosystems ermöglichen.


2.  Schulung und Beratung

Für den Transfer der vorgestellten Waldbaugrundätze und Leitlinien in die forstliche und jagdliche Praxis werden u.a. durch ANW ­ Beispielbetriebe Schulungen zum konkreten Vorgehen vor Ort angeboten. Wichtige Bestand­ teile dieser Fortbildungen sind Marteloskope und Weisergatter.


Marteloskop ist ein didaktisches Werkzeug, es handelt sich um eine genau definierte Fläche, in welcher nicht nur jeder Baum nummeriert, sondern auch sein Durchmesser, seine Art sowie der ökonomische und manchmal auch der ökologische Wert bekannt sind.


Weisergatter / Kontrollzaun / gezäunte Weiserfläche zur Beurteilung des Wildeinflusses (Verbiss, Schäle, Fegen) auf die Naturverjüngung des Waldes.  

 

3.  Öffentlichkeitsarbeit

In Dauerwäldern insbesondere mit vorrangiger Erholungsfunktion wird das forstliche Handeln durch intensive Öffentlichkeitsarbeit begleitet und verständ­ lich gemacht. Mächtige Einzelbäume und bizarre Baumformen werden in sicherer Entfernung zu den Wegen, aber sichtbar, bis zu ihrem natürlichen Zerfall erhalten.


4.  Umgang mit Wäldern mit kulturhistorischer Bedeutung

Mit dem Ziel der Bewahrung des Kulturerbes und in Ergänzung zur naturge­ mäßen Waldbewirtschaftung können historische Bewirtschaftungsformen weitergeführt werden. Sie sichern den Fortbestand der vielfältigen Waldlebens­ gemeinschaften, die sich ausschließlich aus der Kulturtätigkeit des Menschen heraus entwickeln konnten und von dieser abhängen.


5.  Internationale Zusammenarbeit

Die laufende Überprüfung und Weiterentwicklung der Grundsätze der Dauerwaldbewirtschaftung erfolgt in enger Abstimmung mit dem internationalen Dachverband der naturgemäßen Waldwirtschaft Pro Silva (www.prosilva.org).


Unsere ganzheitliche Ökosystemverantwortung für Wald soll sicherstellen, dass im Rahmen der naturgemäßen Waldwirtschaft die Vielfalt der vom Wald geforderten Leistungen nachhaltig für Generationen optimal erfüllt wird.


Impressum:

Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft Deutschland e. V.

Poststraße 7 · 57392 Schmallenberg

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